Einfach leben - Eric Eaglestone

Cover Einfach Leben

Leseprobe Einfach Leben
Einfach Leben - Wahre Begebenheiten
Hrg. Manuela Klumpjan, insgesamt 15 EPV-Autoren
Februar 2021
Paperback, 13,5 x 20 cm, 168 Seiten
ISBN: 978-3-96174-082-6
VK: 9,95 €
Edition Paashaas Verlag, www.verlag-epv.de

Eric Eaglestone wurde im Oktober 1951 in London geboren. Seit 1992 wohnt er mit seiner Frau in Oer-Erkenschwick. Seit seiner Jugend interessiert er sich schon für mystische und spannende Geschichten. Mitte der achtziger Jahre hat er damit begonnen, kleinere Geschichten zu schreiben, die in seinem Privatbereich Anklang fanden. 2015 ging er in Rente. Da er jetzt Zeit hatte, einer in ihm schlummernden geistigen Herausforderung nachzugehen, verfasste er zwischen 2017 und 2018 sein erstes Werk. Ein zweites ist mittlerweile auf dem Markt und ein drittes hat er bereits begonnen zu schreiben.


Die Wahrsagerin

Diese Geschichte beginnt im Jahr 1972. Ich wurde im gleichem Jahr 21 Jahre alt. Meine Freunde und ich gehörten der Woodstock-Generation an. Wir Jungs trugen größtenteils schulterlanges Haar, und kleidungstechnisch entsprachen wir auch nicht der Norm, wie es sich die Generation unserer Eltern und Großeltern damals vorstellte. Durch unser Auftreten ernteten wir von einigen älteren Leuten auf offener Straße gelegentlich Spott und Hohn. Auch Sätze wie: „Ab ins Arbeitslager“, fielen schon mal, obwohl wir alle in Arbeit standen oder zum Teil noch zur Schule gingen. Es gab auch schlimmere Anfeindungen, denen wir entsprechend verbal begegneten. Wir ließen uns nichts gefallen. Wir waren doch nicht der Abschaum der Menschheit. Durch diese Kontroversen fühlten wir uns bestätigt. Denn genau das wollten wir: den Alten die Stirn bieten. Ihnen zeigen, dass wir unser Leben anders gestalten, als sie meinen, es uns vorgeben zu müssen. Rudi Dutschke, Fritz Teufel, Reiner Langhans und die Kommune eins waren uns allen ein Begriff. Und dass die Amis in Vietnam nichts zu suchen hätten, darüber waren wir einhelliger Meinung. Partys, Mädchen, Musik und Joints, so verbrachten wir unsere Freizeit, inklusiv den Besuch zweier Szenekneipen, die wie unser zweites Zuhause waren.
Eines Tages, im Januar 1972, kaufte ich mir meine erste Stereoanlage. Natürlich wollte ich diese auch mit entsprechender Musik füttern. Jimi Hendrix, die Rolling Stones und die Alben vom Woodstock-Festival durften auch nicht fehlen. Beim Stöbern im Schallplattenladen fiel mir das Konterfei einer hübschen Sängerin auf einem Plattencover auf. Es war Melanie Safka, deren Interpretation von Ruby Thuesday von den Rolling Stones mir wohlbekannt war. Damals konnte man noch in den Plattenläden die Musik probehören, bevor man sich zum Kauf entschied. Das habe ich dann auch in diesem Fall getan. Ich weiß es noch genau. Der Titel dieses Albums hieß: “The Good Book“.

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Die Folge war, dass ich von dieser Sängerin angetan war, hauptsächlich wegen ihrer Stimme. Melanie ist eine Vertreterin der Folk-Musik, die ich heute auch noch gelegentlich höre. Diese Musik mag ich heute noch. Auch von anderen Vertretern dieser Musikrichtung.
Irgendwann, kurze Zeit später, lag ich zuhause auf meinem Bett und ließ diese Platte abspielen. Dann traf ich eine Entscheidung. Ich dachte: Solltest du jemals eine Tochter bekommen, wird sie Melanie heißen. Das stand fest.
Okay, es sollte aber noch ein langer Weg werden, wenn es überhaupt dazu käme. Es war ein Wunschgedanke, weiter nichts. Aber dieser Name blieb in meinem Kopf. Ich habe nicht im Traum daran gedacht, dass diese Entscheidung, die ich in jungen Jahren traf, sehr viel später noch eine Rolle spielen sollte.
Es vergingen einige Jahre, ohne das sich viel änderte. Auffällig war uns nur, dass die Akzeptanz der älteren Generation uns gegenüber zugenommen hatte. Es muss 1974 gewesen sein, als einer meiner Freunde mit einem Mädchen zusammen war die Monika hieß. Sie war 18 oder 19 Jahre alt. So genau weiß ich es nicht mehr. Sie war durch die Beziehung zu einem Kumpel auch zwangsläufig ein Mitglied unserer Clique. Sie arbeitete in einem Kosmetikgeschäft, war rothaarig und neigte zu Spirituellem. Eines Tages kam sie auf den Gedanken, ein Buch über die Handleserei zu studieren. Das tat sie dann auch und vertiefte sich in den Einzelheiten.
An einem Samstagabend saßen wir alle gemütlich in einer unseren Stammkneipen, lauschten der Musik und unterhielten uns. Es ging lustig zu, und einige machten auch Späße über Monika, die dem Handlesen eine tiefe Bedeutung zu

sprach. Ich habe mich da auch nicht ausgenommen, aber trotzdem ließen sich einige meiner Freunde von ihr aus der Hand lesen. Ich kann mich nicht mehr im Einzelnen daran erinnern, was dabei herum kam. Jedenfalls hat es niemand ernst genommen. Es war einfach zu lustig, sich einer Pseudointerpretation seiner Zukunft hinzugeben. Es schien irgendwann, dass dieses Thema erschöpft wäre, aber plötzlich wandte sie sich zu mir. „Zeig mal deine Hand.“ Das tat ich dann auch. Natürlich mit einem ungläubigen Grinsen. Der Abend war bereits fortgeschritten und so ganz nüchtern waren wir alle nicht mehr. Monika konzentrierte sich, während einige von uns weiterhin ihre Späße machten auf die Innenfläche meiner Hand. Sie erklärte mir die Lebenslinie, die Liebeslinie und die Schicksalslinie, so wie einige Nebenlinien. Schließlich sah sich mich an und sagte: „Du wirst sehr spät heiraten und auch noch Vater werden. Und was ich aus deiner Lebenslinie sehe, wirst du ein hohes Alter erreichen.“ Das war natürlich erfreulich zu hören, aber amüsiert haben wir uns alle über diese Prognose trotzdem. Es war alles nicht abzusehen und lag in weiter Ferne, falls überhaupt etwas davon zutreffen sollte. Es war nur Mumpitz, ein Spaß, weiter nichts. Obwohl ich an Handleserei und Dinge, wie in einer Glaskugel lesen, nicht glaube, so haben positive Prophezeiungen doch was Erheiterndes. Hätte mich Monika mit ernstem Blick angesehen und mir eine düstere Zukunft vorausgesagt, so hätte ich wohl doch zunächst geschluckt, aber diese Negativ-Nachricht schnell wieder verworfen. Solche Praktiken, die in den Bereich Okkultismus gehören, haben auch wenn man nicht daran glaubt, irgendwas Geheimnisvolles, etwas Mystisches, das wissenschaftlich nicht zu erklären ist. Aber wenn es sowieso nur ein heiterer Zeitvertreib sein soll, warum sollte man sich auch weiter darüber Gedanken machen? Man setzt einen Haken dahinter und wendet sich wieder anderen Dingen zu.
Weitere Jahre vergingen, sogar viele Jahre.
Die Haare wurden kürzer, die Mode und auch meine Lebensauffassung änderte sich. Es war im Jahre 1990, Anfang Dezember. Nach einer jahrelangen persönlichen Misere hatte ich mich gefangen und grübelte eines Abends in meiner Junggesellenbude.
Ich war bereits 39 Jahre alt und hatte nicht vor, als einsamer Junggeselle zu sterben. Es tauchten Fragen in mir auf, auf die ich keine Antwort fand. Alle Frauen und Männer in meinem Alter waren fast alle verheiratet und hatten Familie. Es würde also schwierig werden, jetzt noch die passende
Frau fürs Leben zu finden. Aber man soll nichts unversucht lassen, wenn man es denn wirklich will. Also gab ich in unserer hiesigen Tageszeitung ein Inserat unter der Rubrik “Er sucht Sie“ auf. Sie lief unter einer Chiffre Nummer. Einige Tage später bekam ich einen Brief. Er kam von der Redaktion meiner Tageszeitung. Zu meiner Überraschung hatte sich eine 33-jährige Frau gemeldet, die ebenso wie ich noch auf der Suche nach einem passenden Partner war. Das hatte sie natürlich nicht in dem Brief angegeben, aber die Antwort auf meine Anzeige sprach für sich. Natürlich war auch ihre Telefonnummer dabei. Ich wartete einige Stunden und war nervös. Sollte ich sie anrufen, oder noch weitere Briefe abwarten, um zu sondieren?
Irgendwann gegen Abend wurde ich zu neugierig und rief sie an. Wie unterhielten uns über Gott und die Welt und vereinbarten für den 16. Dezember um 18:00 Uhr ein Treffen vor dem hiesigen Rathaus.
Sie erschien auch wie vereinbart. Wir spazierten anschließend über den Weihnachtsmarkt, gingen danach in ein Lokal zum Essen und vereinbarten zum Schluss ein weiteres Treffen. Es vergingen Wochen und Monate, in denen wir uns nähergekommen waren, sodass wir im August beschlossen, im nächsten Jahr zu heiraten, nach einem von mir ziemlich unromantischem Antrag per Telefon. Ulla war schon darauf eingestellt, dass ich ihr die besagte Frage stellen würde. Natürlich konnte sie nicht wissen, in welcher Form. Wir feierten unsere Verlobung zu zweit, zu der ein Restaurantbesuch, ein Strauß roter Rosen und ein Verlobungsring gehörten. So unromantisch mein Heiratsantrag war, desto romantischer war unsere kleine Verlobungsfeier, von denen wir vorerst niemand etwas erzählten.
Unser Geheimnis hielt aber nicht lange. Unsere nächsten Verwandten hatten es geahnt. Den siebten Sinn gehabt. Vielleicht hat man uns das angesehen. Ich weiß es nicht. Sie hatten uns einfach durchschaut.
Drei Monate später im November flogen wir in den Urlaub nach Kuba. Es waren sehr schöne Tage, die wir dort verbrachten. Das milde warme Klima, die tropischen Gerüche von unbekannten Pflanzen und Blumen genossen wir in vollen Zügen. Man konnte stundenlang im Meer baden, ohne irgendwann zu frieren. Wenn ich ruhig und gedankenverloren daher schwamm, konnte es schon mal passieren, dass wenige Meter vor mir ein Pelikan auf der Jagd nach Fischen ins Meer stürzte.
Die Insel ist aber zu interessant und auch voller Sehenswürdigkeiten, um die begrenzte Zeit, die man nun mal im Urlaub hat, nur am Strand zu verbringen. Wir machten Ausflüge nach Havanna, genossen eine Kutschfahrt durch die Stadt und waren auch beschämt über unseren Wohlstand, der im Gegensatz zu der kubanischen Bevölkerung stand. Wir begegneten vielen bettelnden Kindern, die sich mit offenen Händen uns Touristen näherten. Sie wurden von unserer kubanischen Reiseleiterin, die fließend Deutsch sprach, jedes Mal verscheucht. Das war eben die Kehrseite der Medaille.

Wir besuchten einige Tage später die Tropical Show, kehrten in den Stammkneipen von Ernest Hemingway ein und besichtigten auch dessen ehemaliges Wohnhaus. Besser gesagt, sein Anwesen, das etwas heruntergekommen wirkte, aber den Glanz einer früheren Epoche noch erahnen ließ.

Ich kann mich an folgende Situation erinnern:
Unsere Reisebegleitung zeigte uns Touristen irgendwo in der Stadt einen bestimmten Baum, der in einer kleinen öffentlichen Parkanlage stand. Sie erklärte, dass es ein Glücksbaum wäre. Wenn man ihn dreimal umrundet könnte man sich was wünschen, das dann auch in Erfüllung geht. Er wird besonders von jungen Paaren genutzt, die einen Kinderwunsch haben. Ulla und ich sahen uns lächelnd an und umrundeten schließlich diesen Baum, obwohl unser Kinderwunsch bereits eine beschlossene Sache war. Wir wollten aber damit bis nach der Hochzeit warten. Die sollte irgendwann im Sommer des drauffolgenden Jahres stattfinden. Mit der Umrundung dieses
Glücksbaums wollten wir unseren Wunsch nochmal Nachdruck verleihen. Man war ja nicht zu hundert Prozent sicher, ob es klappen würde.
Monate später stand unser Hochzeitstermin fest. Dieser war auf den 04.09.1992. festgelegt. Einige Wochen vor meinem einundvierzigsten Geburtstag. Wir fieberten im Laufe der nächsten Zeit diesem Termin entgegen, aber es kam noch eine vorzeitige Überraschung. In der ersten Augustwoche meldete sich ein neues Familienmitglied bei uns an. „Bin unterwegs. Dauert aber noch ein bisschen.“
Ulla und ich waren sehr glücklich über diese Botschaft. Nebenher war ich aber auch etwas verwundert. Manche Dinge funktionieren eben auf Anhieb.
Rückblickend ist es schon fantastisch, wie sich Vorstellungen und Wünsche im Leben verwirklichen. Es begann mit einem Mädchennamen, der mich im Alter von 20 Jahren inspirierte. Die Umrundung des Wunschbaumes auf Kuba sehe ich nur als die Bestätigung eines gemeinsamen Vorhabens. Was mich aber tatsächlich heute noch verblüfft; ist eine Prophezeiung, die vor 46 Jahren stattfand. Eine damalige Bekannte hatte sich interessehalber mit der Handlese-rei beschäftigt und mir die Zukunft vorhergesagt. „Du wirst sehr spät heiraten und auch noch ein später Vater werden.“ War alles reiner Zufall, dass es so eingetroffen ist? Oder ist etwas Wahres an diesen okkulten Vorhersagen dran? Ich habe keine Antwort darauf.
Der dritte Punkt dieser Vorhersage ist noch offen. „Du wirst ein hohes Alter erreichen.“
Nun gut, ich habe mich auf dem Weg dorthin gemacht. Aber ob auch das eintrifft, darüber habe ich nicht zu entscheiden.
Ich kann aber mit voller Zufriedenheit behaupten, dass mich meine eigene kleine Familie zu einem ausgeglichenen Menschen gemacht hat.
Unsere Tochter Melanie ist mittlerweile 27 Jahre alt und eine gestandene junge Frau geworden.